Die Angst hat einen neuen Namen

Dieser Hund muss wirklich schlechte Erfahrungen gemacht haben. Campino, neuer Gast in der Villa Bunter Hund, präsentiert eine ganz neue Qualität von Ängstlichkeit. Am liebsten wäre er gar nicht vorhanden.

Vor drei Tagen ist er bei uns angekommen, und seitdem beobachte ich ein ziemlich trauriges Hundetier. Er orientiert sich an den drei Sozialarbeitern, aber aufgrund seiner Zurückhaltung nehmen nicht einmal die ihn wirklich wahr. Der Vorteil: Er ist der erste Hund, der NICHT von Naddel verzickt wird.  Charly hingegen übt zum ersten Mal, nicht der Unterste in der Rangordnung zu bleiben. Er drängelt Campino kläffend zur Seite und versucht sogar, dessen Futter zu stehlen.

Während Christian draussen arbeitet, sitzt Campino unter seiner Kommode und versteckt sich. Das ist der Platz, den wir ihm eingerichtet haben, damit er Schutz finden und gleichzeitig seine Umgebung beobachten kann. Offensichtlich ist er – wie so viele traumatisierte Hunde, die ich kenne – besonders Männern gegenüber äußerst mißtrauisch.

Doch auch bei mir lautet seine Devise immer noch: Abstand halten. Wenn die Vorgeschichte stimmt, nämlich ein Monate langes Leben auf der Straße, immer auf der Hut vor einem Stiefeltritt, kann ich es ihm nicht verdenken. Mein Training wechselt zwischen Ignoranz, wobei er beobachten muss, dass alle anderen Hunde ALLES geben, um von mir Streicheleinheiten zu bekommen, und gezielten Streicheleinheiten gekoppelt mit Lecker-Leckeris. Dazu kontrollierte Körperbewegung, die aber nicht unnatürlich wirken darf, denn Campino muß das richtige Leben lernen.

Zum Glück kann ich auf den pfotenpower-Bericht vom letzten Jahr über Bolle zurück greifen. Ich erinnerte mich zwar dunkel, dass auch Bolle anfangs quasi ganztags vor Angst erstarrt war, aber ein Jahr später überwiegen die positiven Ergebnisse – nämlich, dass er (später) entspannt an der Leine ging, und vor allem, dass er ein fröhlicher und unkomplizierter Familienhund wurde – danke, Sybille, dass ich weiterhin an eurem Alltag teilhaben darf.

Im Moment bleibt Campino noch draussen und hat somit Pausen von einem neuen und für ihn sicher beängstigenden Alltag. Ein erster Spaziergang am Sonntag war eine ausgeprägte Katastrophe – Campino ging keine zehn Meter auf seinen eigenen Beinen. Immerhin: Er läßt sich anfassen und tragen ohne Gegenwehr. Und gelegentlich wirft er schon einen schüchternen bis interessierten Blick auf mich. Darauf kann man doch aufbauen?!

PS – Wir nehmen langsam endgültig Abschied von Luna