Entschleunigung

Nach der voll bepackten Reise durch Kambodscha gönnte ich mir in Laos ein Kontrastprogramm. Sechs volle Tage in Luang Prabang – das heißt, für einen Ort ungewöhnlich viel Zeit haben. Und das ich, der Aktivling… Und dann noch ganz alleine.

Einfach mal am Mekong sitzen und den Sonnenuntergang genießen
Einfach mal am Mekong sitzen und den Sonnenuntergang genießen

Ich gebe zu, ich musste mich teilweise dazu zwingen, nicht jeden Tag zu verplanen, sondern einfach mal alles laufen zu lassen. Am Ufer des Mekong sitzen und nur auf den Fluss schauen. Kein Fast-Templing (angelehnt an Fast Food), sondern in aller Ruhe selbst die Details eines Klosters zu erfassen, die Umgebung auf sich wirken zu lassen. Oder im Traditional Arts & Ethnology Center ein Video von Anfang bis Ende zu sehen – und dann noch eines und noch ein drittes. Dieses kleine Museum sollte man übrigens besuchen, bevor man auf den Nachtmarkt geht. Dann hat man eine Ahnung, wie die wunderschönen Waren hergestellt werden und von wem.

Viele wunderschöne Skulpturen findet man am Fuß des Bergs Phousi
Viele wunderschöne Skulpturen findet man am Fuß des Bergs Phousi

Auch den Berg Phousi habe ich ohne Hektik genossen. Ich kam sogar ganz in der Nähe von Buddhas Fußabdruck mit einem Mönch ins Gespräch. Mir wurde vorher immer gesagt: „Die dürfen nicht mit Frauen sprechen, und schon gar nicht darf man sie anfassen.“ Nun, „mein“ Mönch sprach mich an, und das nicht ohne Grund. Er studiert Englisch (viele Jungen bekommen ihre Schulausbildung in den Tempeln) und geht wie viele seiner Kollegen an touristische Orte, um die Sprache zu praktizieren.

Auf dem Mount Phousi fiel mir – wie auch schon an anderen Orten – auf, wie wenig Vogelstimmen zu hören waren. Wenn man in und um Luang Prabang ein Zwitschern hört, dann meistens aus einem der vielen Vogelkäfige, die an den Häusern hängen. Aber in der freien Natur? Fehlanzeige Als Erklärung dafür vermutet der Reiseführer Lonely Planet, dass die Vögel als billige Proteinquelle gefangen und gegessen werden. Mag sein. Auch

Kaum größer als eine Apfelsine: In solchen Käfigen werden die Glücksvögel verkauft
Kaum größer als eine Apfelsine: In solchen Käfigen werden die Glücksvögel verkauft

gibt es am Aufgang zum Berg mehrere Vogelverkäuferinnen. In winzigen geflochtenen Wegwerf-Käfigen sitzen je zwei kleine Vögelchen, die man oben bitte fliegen lassen möchte, das brächte Glück. Sch… Aberglaube. Irgendwo las ich, die Tierchen flögen immer wieder zurück zu ihrem Käfig. So recht glauben kann ich das nicht. Ziemlich sicher bin ich dagegen, dass eine Menge der gefiederten Geschöpfe bei der Prozedur des Einfangens und In-den-Käfig-Flechtens ihr Leben lassen.

Zurück zur Reise. Über die Entstehung des Mount Phousi wie auch zur Geschichte von Luang Prabang gibt es wunderschöne Sagen und Legenden. In einem kleinen Theater, dem „Traditional Story Telling Theatre“ auf der Landspitze zwischen Mekong und Nham Kan, erzählt ein junger Einheimischer in sehr charmantem Englisch diese und andere Sagen. Musikalisch begleitet wird er von einem alten Landmann mit einer noch älteren Bambus-Mundorgel, dem Khene.

Die Vorstellung begann für meine Verhältnisse extrem früh, schon um 18.30 Uhr. Doch in Luang Prabang endet der Abend zeitig, weil auch morgens die meisten Einwohner schon zu Sonnenaufgang auf den Beinen sind. Dann nämlich findet die weltberühmte Mönchspeisung statt. Durch die Hauptstraßen des Städtchens prozessieren die vielen

Touristenspektakel statt stiller Zeremonie - die morgendliche Mönchsspeisung
Touristenspektakel statt stiller Zeremonie – die morgendliche Mönchsspeisung

buddhistischen Mönche und empfangen Spenden in Form von Lebensmitteln von den Gläubigen, die sie am Straßenrand hockend erwarten. Dies war mal eine stille, ehrwürdige Zeremonie, und das sollte es auch heute noch sein. Leider können sich einige Touristen einfach nicht benehmen – auf der Jagd nach dem besten Fotomotiv stehen manche so dicht an der Prozession, dass sich die Mönche vorbei drängeln müssen. Von Stille ist natürlich auch nicht viel zu spüren. Ich schaue mir das aus respektvoller Entfernung an und fotografiere schließlich die Touristen, die die Mönche fotografieren.

Interessant fand ich, was so gegeben wird. Natürlich viel Sticky Rice, das Nationalgericht der Laoten. Daneben vor allem abgepackte süße Kuchen… Ich wollte mir schon Sorgen machen um die Ernährung der Mönche, da bemerkte ich, dass auch Geld gespendet wird. Hoffentlich kaufen die Tempelchefs davon Obst und Gemüse 😉 .

Kochlehrer Lee machts vor, und dann kommen wir
Kochlehrer Lee machts vor, und dann kommen wir

Noch zur Ernährung. Wer mich kennt weiß, dass ich weder Reis noch Nudeln esse. Dass ich trotzdem nach Indochina reise ist eines. Aber – und jetzt kommt’s – ich habe sogar einen Kochkursus besucht. Inklusive Reis- und Nudelgerichten. Und alles gegessen. Und es hat nicht weh getan! Dennoch – ich bleibe Kartoffelfan. Die laotische Küche aber finde ich sehr delikat. Die meisten Gerichte kann man übrigens prima ohne Reis oder Nudeln genießen!

Und jetzt ist Schluss mit Entschleunigung. In Hanoi treffe ich meine Nichte Neele, mit der ich in den nächsten zwei Wochen Richtung Süden, also gen Ho Chi Minh Stadt (früher Saigon, im Süden Vietnams) reisen werde. Ich freue mich schon wieder auf Action. Und auf Gesellschaft, denn mein freiwilliger Single-Reiseteil hat mich gelehrt, dass ich lieber nicht alleine reise.

Weiter: Hanoi – ein Tag

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