Spiel, Spaß – Streß?

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Spiel und Sport sind gut für Hunde – dürfen aber nicht in Stress ausarten. Foto: Christine Braune / pixelio.de

Border Collie Bobby kommt zu mir, weil er immer wieder Magenprobleme hat. Er frisst Gras, erbricht dieses dann mit weißem bis gelblichem Schaum, hat dann tagelang keinen Appetit. Er ist drei Jahre alt und macht auf mich einen lebhaften Eindruck. Zu lebhaft. Während der 45 Minuten im Behandlungszimmer legt er sich nicht einmal hin. Hechelnd läuft er zwischen Frauchen und der Tür hin und her. Zudem fällt mir auf, dass seine Vorderpfoten gelblich verfärbt sind. „Schleckt er sich oft die Pfoten?“, frage ich die Besitzerin. „Das macht er eigentlich immer, wenn er liegt. Es sei denn, er schläft. Aber er schläft eigentlich wenig.“

Meine weitere Befragung umfasst nicht nur die genauen Umstände der Erkrankung und Vorerkrankungen, sondern auch den Tagesablauf. Mir fällt auf, dass seine Besitzerin – eine sehr sportliche, sehnige, fast hagere Mittdreißigerin – von unzähligen Aktivitäten spricht, die sie mit dem Hund unternimmt. Zweimal wöchentlich Agility, fast täglich joggen, dienstags Dog Dancing, und an „schulfreien“ Tagen geht sie extra lange mit Bobby in die Natur und macht dort Versteck- und Intelligenzspiele. Auch zu Hause beschäftigt sie sich stundenlang mit ihrem Liebling…

„Ihr Hund hat einen volleren Terminkalender als ich!“, staune ich. Dann versuche ich  Frau K. zu erklären, dass auch Hunde unter Stress leiden können. „Aber Bobby ist ein Border Collie, die brauchen doch so viel Beschäftigung“, widerspricht sie.

Hunde schlafen viel
Bis zu 20 Stunden Schlaf brauchen erwachsene Hunde, Welpen sogar noch mehr

Es stimmt zwar, dass viele Border Collies arbeitswütig sind. Aber sie sind auch sehr sensibel und dadurch ebenso leicht zu unter- wie auch zu überfordern. Das gesunde Mittelmaß gibt es nicht in der Rassebeschreibung, sondern muss bei jedem Hund individuell gefunden werden.

Was im übrigen für alle Rassen gilt. Wie wir Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben und auf Stress verschieden reagieren, sind auch Hunde Individualisten. Doch haben alle Hunde ein hohes Schlafbedürfnis – 17 bis 20 Stunden Schlaf sind für einen erwachsenen Hund nicht ungewöhnlich. Frau K. ist erstaunt: „Bobby schläft viel weniger!“. Ich erkläre ihr, dass man manchen Hunden die Ruhepausen erst wieder beibringen muss. Sie sieht mich sehr zweifelnd an…

Als sie nach drei Tagen zu mir kommt, um ein homöopathisches Medikament und eine Bachblütenmischung für Bobby abzuholen, ist sie schon offener für meine Theorie. Im Internet habe sie Bestätigung dafür gefunden, dass zu viel Aktivität auch für junge, agile Hunde nicht endlos gut ist.

Zwei Monate später liegt in meinem Praxisraum ein entspannter Bobby. Er hat seit Wochen nicht erbrochen und die Fußbehaarung ist viel heller geworden. Und auch sein Frauchen macht einen gelösteren Eindruck. Die tägliche Siesta scheint beiden gut zu tun. Und seit Frau K. sich nicht mehr unter Druck setzen muss, „weil Border Collies gefordert werden müssen“, lassen auch ihre häufigen Kopfschmerzen nach.