Was Naddel und Moses gemein haben

„Wenn es ein Mädchen wird, nennen wir sie Frau Merkel“, unkte ich auf dem Weg zum Tierheim.

Die Mission war klar. Drei Wochen nach dem plötzlichen Tod meines Dackels Felix musste wieder ein Hund ins Haus. „Ganz ohne ist das Leben arm“, hatte ich  festgestellt, und so fuhren wir nach Pollensa in ein kleines privates, von der

Dackel Mix Naddel in jungen Jahren
Naddel wenige Tage nach ihrem Einzug bei uns

Gemeinde unterstütztes Tierheim. Auf der gut eingezäunten Anlage empfing uns ein Rudel von 20 bis 25 frei laufenden kleinen und mittelgroßen Hunden. Der Tierheimchef führte uns durch die Zwingeranlagen und erzählte von den Tieren in den Käfigen. Ein kleiner Zottel gefiel uns, doch der war reserviert.

Wenig später sah ich sie, in einem Zwinger mit unterschiedlichen Welpen. Eine kleine, schwarze Dackelmixhündin, noch jung, vielleicht zwei, höchstens drei Jahre alt. Sie war neben einer Mülltonne in einem Pappkarton gefunden worden, mit zwei eigenen Welpen, die bereits vermittelt waren. Unser Gastgeber bemerkte sofort mein Interesse: „Soll ich sie heraus holen?“ – Ich zweifelte: „Geht das gut mit den Freilaufenden?“ Er lächelte: „No problema!“ Und schon war die Hündin raus aus dem Zwinger.

Graue Hundeschnauze
Die Gesichtsfarbe hat sich deutlich verändert. Aber Naddel ist nur äußerlich grau, wie man an den Augen sieht

Selbstbewusst ging sie an uns vorbei, direkt auf die Gruppe der Halbstarken zu. Nun bot sich uns ein erstaunliches Bild: Vor dem kleinen Dackelmix teilte sich die Meute –  wie das biblische Wasser vor Moses. Die Freigänger standen stramm. Dass sie nicht salutierten, war alles. Keiner traute sich, „Ihrer Hoheit“ am Po zu schnuppern oder ähnliche Annäherungsversuche. Sie war ganz klar unantastbar, mit einer Aura groß wie ein Elefant und furchterregend wie ein Löwe. Wir konnten nicht erkennen, ob ihre Lefzen sich bewegten, ein Knurren war jedenfalls nicht zu vernehmen.

Das war ganz klar mein Hund. Heute vor genau neun Jahren verließ sie das Tierheim und startete mit uns in ein neues Leben. Frau Merkel haben wir sie natürlich nicht genannt. Obwohl sie von ihrer Persönlichkeit den Namen durchaus verdient hätte. Wir tauften sie Naddel. Oder einfach „Ihre Hoheit“.