Da waren’s plötzlich fünf

Eine gute Stunde, nachdem Naddel und Murphy wohlbehalten zu Hause angekommen waren, ereignete sich noch etwas recht komisches. Vor unserem Haus hielt ein Auto, eine Frau stieg aus, die ich als tierliebe und engagierte Dorfbewohnerin namens Pilar erkannte. Am Tag zuvor hatte ich sie gebeten, die Augen nach unseren Ausreißern aufzuhalten. Jetzt strahlte sie mich an: „Ich habe deinen Hund gefunden!“ – Ich lachte: „Nein, beide Hunde sind schon zu Hause“. Pilar fiel die Kinnlade herunter: „Aber… das ist ein kleiner schwarzer Rüde, so wie deiner… ich war mir ganz sicher… er lief oben an der Straße von Cala Blava…“

Am Tag nach ihrer Rückkehr genießen Naddel und Murphy Sonne und Sicherheit

Ich schaute mir den Kleinen an, der verunsichert auf dem Rücksitz hockte. Ein gepflegter Terriermix in Murphys Größe, schwarz-grau, am Halsband eine Kapsel. Aussteigen mochte er nicht, da meine drei Rüden ihn vom Zaun aus beschimpften. Ich öffnete die Kapsel, nahm einen winzigen Zettel heraus. Auf dem Papier stand „Odi“ und zwei Telefonnummern. Ich bot an: „Pilar, ich hole mein Telefon und wir rufen die Besitzer an.“
Ihr Mann auf dem Fahrersitz brummte, und jetzt bemerkte ich auch Pilars Hektik: „Habt ihr keine Zeit? Ich hole eine Leine und nehme ihn mit rein, dann könnt ihr weiter“. Große Erleichterung.
Odi lernte also meine Rüden im Garten kennen und lieben (Naddel blieb natürlich erschöpft auf der Couch), und ich wählte die erste Telefonnummer. Der Hund war vormittags Bauarbeitern in unserem Ort entlaufen, vermutlich aus Langeweile. Da ich eh noch mit Charly und Campino spazieren wollte, brachte ich Odi zu Fuß und in Begleitung zu seiner Einheit zurück. Seinem Blick beim Abschied entnahm ich, dass er gerne noch länger mit meinen Powerpfoten gespielt hätte…

72 Stunden Angst

Falls jemand heute Mittag gegen 13 Uhr einen lauten Rumms gehört hat – das war der Stein, der mir vom Herzen fiel.

Naddel und Murphy waren weg. Seit Sonntag. Drei Tage am Stück.

Klar, Schuld sind nicht die anderen. Wir hatten sie auf unserem Sonntagsmarsch in bekanntem Gelände gemeinsam von der Leine gelassen. Nur für einige Minuten, weil der Trampelpfad an der Steilküste inzwischen so bewachsen ist, dass Hundeleinen ständig hängen bleiben. Vorher sprachen wir noch drüber, dass einer der beiden immer als Geisel herhalten muss. Nachher sahen wir, dass sie sich zu zweit unauffällig von uns entfernt hatten, und als wir dann riefen, gaben sie noch extra Gas. Wir konnten das gerissene Doppel beobachten, wie es den Hang hinauf rannte. Keine Chance, diese beiden einzuholen. So beobachteten wir zunächst, ob sie sich besinnen und umkehren. Ein Fehler, wie wir jetzt wissen. Natürlich kehrten sie nicht um. Irgendwann, gegen 13 Uhr, verloren wir sie aus den Augen.

Erholungsbedürftig: Naddel
Erholungsbedürftig: Naddel

Schließlich kraxelten wir selbst die Steilküste hoch, auf dem kürzesten Weg, teilweise auf allen Vieren. Ich witzelte noch über „unsere persönlichen Fitnesstrainer“. Da wusste ich noch nicht, dass das Training drei volle Tage andauern würde.

Wir suchten sie bis in den Abend. Wegen der Dunkelheit mussten wir im freien Gelände aufgeben, vermuteten die Ausreißer dann aber im Ort und suchten dort noch weiter. Nichts.

Wir ließen die Gartenpforten auf in der Hoffnung, sie würden nachts nach Hause finden. Nichts.

Montag. Es kommen zwei Richtungen in Frage – die zu unserem jetzigen Zuhause, und die zu dem alten Haus, wo Naddel und Murphy auch jede Gasse kennen. Das sind vier Ortschaften. Wir beginnen, alle Straßen abzulaufen, rufend und pfeifend. Immer wieder regnet es, was die Suche erschwert. Vor allem ist uns klar, dass Naddel sich nicht aus dem Trockenen bewegt… Doch haben sie überhaupt ein geschütztes Plätzchen gefunden? Sind sie überhaupt im Dorf, oder halten sie sich nach wie vor in der Pampa auf? Tierärzte, Tierheime, Polizei, Gemeinde und Chip-Melde-Zentrale sind informiert.

Unendlich müde: Murphy
Unendlich müde: Murphy

Dienstag. Die Suche geht weiter. Wir hängen die ersten Suchplakate auf. Freunde helfen uns, das Inselradio sendet einen Aufruf. Immer mehr Menschen bieten ihre Hilfe an. Ich selbst ziehe mich nachmittags für kurze Zeit zurück unter die Bettdecke, kann nicht mehr mit Leuten reden ohne zu heulen, werde die schrecklichen Was-alles-passiert-sein-kann-Bilder nicht los, ertrinke in Selbstvorwürfen… Nachts fahren wir wieder los. Ohne Umgebungsgeräusche hört man vielleicht die Hunde winseln, hoffen wir. Erneut beginnt es zu regnen. Mit Kapuze auf dem Kopf hört man nichts. Abbruch.

Mittwoch. Sonne! Lassen sich Naddel und Murphy heute endlich irgendwo blicken? Ich drucke weitere 60 Aushänge aus und bereite sie für Freunde vor, die ihre Hilfe angeboten haben. Gegen 12.15 Uhr klingelt mein Handy. Der Tierarzt in Bahia Grande ist dran. Schluchzend höre ich, dass eine Autofahrerin Naddel auf der stark befahrenen Hauptstraße eingefangen und zu ihm gebracht hat. Was für ein Glück! 20 Minuten später halte ich sie auf dem Arm. Unverletzt. Etwas schmaler, ziemlich zerkratzt und schmutzig, aber überglücklich. Sie will nie wieder runter von meinem Arm.

Sofort startet der Suchtrupp in der Nähe des Naddel-Fundortes. Ich fahre mein Püppi nach Hause, gebe ihr eine leichte Mahlzeit und gegen das leichte Hinken ein homöopathisches Trauma-Medikament. Sie macht einen guten Eindruck, hat kein Fieber und will nach dem Fressen nur unter die warme Decke auf der Couch.

Mit Charly und Campino starte ich in Richtung Suchtrupp. Doch daraus wird nichts: Vor der Gartentür wartet geduldig Murphy. Tut so, als wäre er nur zehn Minuten weg gewesen. Ist gesund und munter, nicht einmal nennenswert verfilzt, nur ein wenig schlanker. Hungrig und später – genau wie seine Partnerin – sehr müde. Und unendlich erleichtert.

Heute also endlich Tränen des Glücks. Drei Tage können tierisch lang sein.

Noch ein exklusiver Tipp zum Schluss: Die Regenwasser-Aas-Diät ist zwar nicht schmackhaft, aber sehr effektiv.

Ja. Wir sind Versager!

Falls  jemand vor Neugierde nicht schlafen konnte nach meiner Campino-Neuigkeiten-Ankündigung – das war keine Absicht. Jedenfalls keine böse…

Manche ahnen schon, viele wünschen es sich schon lange. Sie wollen uns als Pflegestellen-Versager sehen. So nennt man Leute, die Tiere in Pflege nehmen, und sich dann nicht mehr von ihnen trennen können. Wir hier in der Villa Bunter Hund sind Wiederholungsversager. Murphy blieb ungeplant hängen, bei Charly erhöhten wir die Vermittlungsgebühr in einen hohen fünfstelligen Bereich, so dass keine Interessenten mehr zu befürchten waren. Letztes Jahr schließlich schliefen unsere Vermittlungsaktivitäten bezüglich diverser Katzen ein. Und jetzt kommt Campino.

Campino blickt fröhlich nach vorn in eine sichere Zukunft

Letzter Auslöser war der Vorschlag einer sehr lieben Freundin, dass wir uns den Hund teilen: Wir kümmern uns weiterhin um Haltung und Pflege, sie sich um die Kosten. Damit hat er eine lebenslange Patin gewonnen. Ein Traum für einen Hund, der so unvermittelbar ist wie unser Füchslein. Ich dachte dennoch eine Weile nach, denn der Wille, ihn nicht zu behalten, hatte ja weniger finanzielle Gründe. Wir wollten vielmehr weiterhin einen Platz für Pflegehunde frei halten. Die dringend für eine Weile ein stabiles Rudel und ein Dach über den Kopf benötigen. Andererseits kam ich zum Schluß, dass wir vermutlich kaum ein besseres Werk tun können, als diesem armen Kerl auf Dauer ein gutes Heim zu bieten. Ob und wie er mit einer neuen Lebenssituation zurecht käme, wissen wir schließlich auch nicht. Und er ist inzwischen so zuhause bei uns, man kann ihn sich kaum noch wegdenken.

Tage später, abends in der Küche, erzähle ich Christian vom Vorschlag meiner Freundin. Seine Reaktion: „Den Kleinen werden wir eh nicht mehr los, das ist mir doch schon lange klar“. Plötzlich setzt sich Campino vor uns und schaut uns ganz tief in die Augen. Und dann hockt sich auch noch sein allerbester Freund Charly daneben. Und der scheint uns mit seinen Bernsteinaugen hypnotisieren zu wollen: „Los, sagt endlich ja!!!“

Ja.

Kiaris neues Leben als Anni

Unser letzter Gast vor Campino ist jetzt runde vier Wochen in Deutschland. Aus unseren Augen ja, aber nicht aus dem Sinn. Mama Kirsten hält mich mit regelmäßigen Berichten über das „kleine Monster“ auf dem Laufenden, und auch Fotos bekomme ich gelegentlich.

Über Kiari (heißt jetzt deutsch Anni!) hatte ja die Tierheimmitarbeiterin gesagt, die Besitzer hätten die junge Hündin abgegeben, weil sie Pflanzen fresse. Nun, in der Villa Bunter Hund verhielt sie sich sehr unauffällig… Wir haben aber auch keine Pflanzen im Haus, nur im großen Garten, und da hätte sie können wenn sie gewollt hätte.  Hat sie aber nicht. Ich konnte sie dann als ganz liebes Mädchen abgeben – harharhar.

Kirsten in einem der jüngsten Mails:  „Läuft alles bestens. Gestern hat sie mir meine Wohnung zerlegt – zm ersten Mal… Habe zwei Stunden geputzt bis 22 Uhr ! Fazit: Drei Palmen ausgegraben und zerfetzt, mehrere Tempopackungen aus dem Schrank geholt und zerfetzt, meine Schuhe angenagt, in den Flur gepinkelt und zu guter Letzt habe ich bei meiner Putzaktion mit dem Staubsaugerrohr auch noch zwei Pflanzen runter geschmissen und samt Töpfen zerschlagen. Die Tapete hat sie auch angefressen. Aber sonst ist alles bestens. Und ich glaube, sie ist jetzt richtig hier angekommen 😉   …

Tobestunde mit den neu gewonnenen Geschwistern: Kiari = Anni (Mitte) in neuer Heimat Deutschland

…Die Hunde verstehen sich sehr gut, sie toben wie wild über Felder und auch hier zu Hause. Anni hatte am Anfang Angst, in den Wald zu gehen, jetzt gehts aber. Sie macht Luise alles nach… trägt auch immer ein Stöckchen im Maul, schleppt Plüschviecher rum und liegt besonders gern im Bad und schaut mir bei der Morgendusche zu. Sie ist immmer noch recht dominant, aber es geht immer besser. Kleines Beispiel: sie steht oben an der Treppe und lässt die anderen beiden Dumpfbacken nicht hoch…..jaaaa so was macht sie!!! Das Luder!!! In der Wohnung kläfft sie überhaupt nicht, aber wehe, es kommt mir draussen jemand entgegen…der ist tot! Wir arbeiten dran …

Sie ist aber super lernfähig, sie macht schon Sitz, Komm, Bleib. Alle drei müssen sich hinsetzen, ich gehe 100 Meter weiter und dann KOMM, klappt super!  Nächste Woche bringe ich ihr das kleine 1×1 bei  🙂 .
Die Untersuchungsergebnisse vom Tierarzt sind auch da: sie ist kerngesund!!! Freu!!! Gut ausgesucht!“

Letzteres galt mir, denn ich habe sozusagen auf telefonische Bestellung Anni im Tierheim Son Reus ausgewählt. Das hätte auch schief gehen können 😉 . Dass Anni inzwischen doch mal ein wenig häuslichen Schaden angerichtet hat, nimmt Kirsten nicht übel: Das haben schon Hunde vor Anni gemacht. Bei einem jungen Hund sollte auf so etwas gefasst sein.

Grüsse von Pancho

Pancho am detuschen Strand
Ein kerniger Pancho am deutschen Strand

Ich freue mich ja immer riesig über gute Nachrichten von unseren Schützlingen. Vor wenigen Tagen traf ein e-mail mit Fotos von Panchito ein.

<<<<Liebe Frau Dragun, wir sind die neuen Besitzer von Pancho und wollten Ihnen auf diesem Wege eine Nachricht von dem kleinen Kerl zukommen lassen! Pancho ist toll! Er hat sich bei uns gut eingelebt und macht uns ganz viel Spaß! Ganz liebe Grüße aus Oldenburg!>>>>

Hört sich mal wieder nach einer gelungenen Adoption an – einfach Klasse. Derweil häufen sich die Fragen, wann wir wieder ein Pflegefell zu uns nehmen. Die Antwort darauf müssen wir aber bis auf weiteres schuldig bleiben. Oder anders gesagt: Wir lassen das mal ganz in Ruhe auf uns zukommen…

Nachricht von Pancho

Nach seiner Zwischenlandung  beim Pflegepapa des TIB Bremen ist Pancho jetzt endlich bei seiner Familie angekommen. Die TIB-Vorsitzende mailt:

>>>…der süße kleine Pancho zieht heute in sein neues Zuhause nach Oldenburg um. Ein wirklich nettes Paar – beide Sonderschul-Lehrer für körperbehinderte Kinder- Sie haben keinerlei Probleme mit Panchos Behinderung.

Das waren noch Zeiten - Pancho im Nahkampf mit Miesekatze Luna
Das waren noch Zeiten - Pancho im Nahkampf mit Miesekatze Luna

Wir haben Pancho noch kastrieren lassen und eine Röntgenaufnahme seiner Wirbelsäule machen lassen. Dabei hat sich herausgestellt, dass der letzte Wirbel verformt ist. Evtl. könnte eine OP bei einem Spezialisten eine Besserung bringen. Das wollen sich die neuen Besitzer überlegen. Gerne gebe ich Ihre Kontaktdaten an Frau Z. weiter, dann bleiben Sie auf dem Laufenden, wie es dem süßen Pancho geht.<<<

Jetzt hoffe ich natürlich sehr, dass es Pancho dort gut geht, und dass ich nochmal Nachrichten aus erster Hand bekomme. Dennoch, unbesehen glaube ich, dass Pancho ein sehr glücklicher kleiner Hund ist und sein Leben weiterhin genießt – so wie er es bei uns tat.