Ich mag eigentlich keine Gruppenreisen, aber nachdem sieben Leute gleichzeitig beschlossen, Neele in Kambodscha zu besuchen, war es anders kaum zu organisieren. Und es hat durchaus Vorteile, mit eigenem Bus und einheimischem, versiertem Reiseführer das Land kennen zu lernen. Auch wenn man, wie heute, um 5.30 Uhr aufstehen muss…
Wir wollen auf dem Fluss Sangker bis nach Siem Reap fahren. Das Kunststoffboot ist lang und flach und hat an beiden Seiten ungemütliche Bänke. Alternativ kann man sich aufs Dach setzen. Ohne Stühle, Kissen oder Sonnenschutz. Auch nicht sooo prickelnd. Aber was sich uns in den nächsten Stunden bietet, entschädigt allemal für die Unbequemlichkeit.
Das Ufer von Battambang ist dicht mit Pfahlhäusern bebaut. Es gibt alte, sehr alte und im Verfall begriffene, aber dazwischen auch immer wieder sehr moderne. Vor den Häusern, direkt am Wasser, haben manche Bewohner Gemüse angebaut. Bevor die Regenzeit im Mai beginnt und der Wasserpegel steigt, muss alles geerntet sein. Am Flussrand baden Menschen, waschen ihre Wäsche oder putzen sich die Zähne. Mit dieser Brühe!? Schon beim Anblick schwenkt meine Darmflora die Friedensfahne (Wer mehr über Darmflora erfahren will, lese das Buch „Darm mit Charme“ von Giulia Enders).
Nach und nach wird die Bebauung offener. Hier beginnt schon die Gegend der Kleinbauern. Viele Kunststoffrohre führen vom Fluss hinauf auf den Hang, pumpen Wasser auf die dort angelegten Felder mit Bohnen- oder Maisanbau. Wir sehen Palmen und Schilfflächen, es weiden Kühe am Ufer, im Wasser liegen jede Menge Fischreusen, und einmal passieren wir eine Entenfarm. Der Zaun ist so angelegt, dass die Tiere schwimmen können oder an Land watscheln, wie es ihnen gefällt. Vor den Häusern liegen Langboote. Hier führen keine Straßen mehr ins bewohnte Gebiet, der Fluss ist die einzige Verbindung zum Rest der Welt.
Während wir voran knattern, werden die Behausungen am Rand immer ärmlicher. Schon lange sehen wir nur noch Pfahlbauten mit Reismatten statt Wänden, dazwischen zeltähnliche Unterstände mit Plastikplanen. Hier wohnen Menschen. Die vielen Kinder winken uns fröhlich zu. Alle paar Kilometer gibt es einen Laden, natürlich nur via Wasserstraße erreichbar. Auch wir halten mehrmals, um mitgeführte Waren zu übergeben.
Unser Fluss wird schmaler und schmaler. Und flacher. Mehrmals laufen wir auf Grund. Wo das Boot unlenkbar ist, muss der Matrose unser Langschiff mit einem langen Stab vom Ufer abstoßen in Richtung Fahrrinne, bzw. was davon übrig ist. Uns Passagieren ist ein wenig mulmig… Wie sollen wir es so heute noch nach Siem Reap schaffen? Bei Hochwasser, in der Regenzeit, dauert die Tour nur sechs Stunden, für heute wurden acht bis zehn angesagt. Teilweise ist das dicht bewachsene Ufer nur noch eine Armlänge vom Boot entfernt, und hinter dem Boot zieht sich eine lange Schlammfahne, durch den Propeller aufgemischt. Jeder Zentimeter mehr Tiefgang wäre das Aus.
Dann wird der Wasserlauf langsam wieder breiter, und schließlich ist in einiger Entfernung ein Funkmast zu erkenen. Beim Näherkommen zeigt sich ein richtiges Dorf. Aber nur wenige Gebäude – darunter eine Schule – stehen auf dem Land. Die meisten Häuser schwimmen, wie auch Lagerräume und Schweineställe. Mehr und mehr weitet sich der Fluss, und jetzt sehen die zahllosenden schwimmenden Häuser immer weniger ärmlich aus, sondern sehr gepflegt. Die Bewohner scheinen kein schlechtes Einkommen zu erzielen mit ihren Krokodilfarmen (verkauft wird das Leder und das Fleisch) und den großflächigen Plantagen von Wasserhyazinthen. Diese bringen nicht nur Geld durch die essbaren Blüten. Die sich unter ihnen sammelnden Fische lassen sich einfach fangen, unzählige an den Blättern sitzende Schnecken werden geerntet, und aus den getrockneten Stängeln der Blumen werden Stuhlmatten und Körbe geflochten.
Unser Passagierboot hat jetzt richtig Fahrt aufgenommen, denn was bisher ein Fluss war, ist inzwischen in den See Tonle Sap gemündet. Aus dem Wasser tauchen immer wieder einfache Stöcke auf, die Fischreusen kennzeichnen. Der Käptn muss ziemlich gute Augen haben. In einiger Entfernung passieren wir ein riesiges schwimmendes Dorf. Leider halten wir nicht.
Der Bootsmotor ist enorm laut und die Bank wird immer unbequemer. Als Wan Wan ankündigt, dass wir in einer halben Stunde den Hafen erreichen werden, bin ich sehr erleichtert. Doch als wir dann – inzwischen führt sich die Wasserstraße in einer Art Kanal fort – plötzlich inmitten vieler anderer Langschiffe mit dem Bug voran am Ufer halten, bin ich perplex. Hafen kann man das nicht nennen… mit Müh und Not kraxeln wir die meterhohe Uferböschung herauf, nachdem wir mit einem beherzten Sprung das Boot verlassen haben. Spätestens jetzt weiß ich, warum kaum ältere Leute durch Kambodscha reisen. Dennoch – diese Tour war ein Erlebnis, die Landschaft wunderschön, die Eindrücke prägend.