Tempelruinen und Marmorberge

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Mit fachkundiger und vor allem fröhlicher Hilfe verwandele ich mich in ein wetterfestes Gummibärchen

Der normale Morgen-Bus von Hue nach Hoi An ist ausverkauft. Wir investieren einen Dollar mehr und bekommen Platz im Liegebus. Diese Alternative ist nicht ganz so bequem, wie es sich anhört, aber vier Stunden im Bus sitzen wäre noch schlimmer. Um die Mittagszeit erreichen wir unser Ziel, checken im Hotel ein und verschaffen uns einen ersten Eindruck von Hoi An. (Über die Stadt berichte ich später.)

Am nächsten Morgen erfahren wir, dass in den kommenden Tagen Regen zu erwarten ist. Also beschließen wir spontan einen Ausflug per Moped. Unsere Vermieterin ruft sofort ihrem Bruder an, der jetzt zwar tagsüber zu Fuß gehen muss, dafür aber um 6 Dollar reicher ist. Ich integriere mich schnell in den lauten Verkehr, gewöhne mich problemlos daran, Autos rechts zu überholen und drücke pflichtbewusst bei jeder Gelegenheit die Hupe – man will ja nicht auffallen.

Schon auf dem Hinweg gibt es erste Sprühregenschauer. Mir fällt ein, dass mein Regencape im Koffer liegt, zusammen mit meinem Schal. Na prima. Zum Umkehren ist es zu spät, aber in einem kleinen Dorfmarkt finden wir dünne Foliencapes für kleines Geld. Die Verkäuferin hilft mir sogar lachend beim Überziehen, und auch in der Kneipe gegenüber amüsiert sich das Volk mit uns. Da ist der Kaufpreis doch sehr gut angelegt. Ich sehe jetzt zwar aus wie ein aufgeplustertes lila Gummibärchen, aber die Plastikpelle hält sogar den Fahrtwind ab.

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Ruinen der Tempelanlage My Son. Dazwischen überall deutlich zu sehen: Bombenkrater aus dem Vietnamkrieg

Unser erstes Ziel liegt 50 Kilometer von Hoi An entfernt. Die Tempelstadt My Son wurde schon im 2. Jahrhundert gegründet, von den frühen Holzbauten ist allerdings nichts erhalten. Ab dem 7. Jahrhundert aber errichteten die Cham ihre Heiligtümer aus Ziegelsteinen. My Son war lange Zeit das religiöse Zentrum der Champa-Kultur, wurde dann aber im 14. Jahrhundert aufgegeben. Erst 500 Jahre später entdeckten es Franzosen, überwuchert vom Dschungel. Ab 1901 wurden Teile der Stadt restauriert, heute sind noch über 70 Gebäude erhalten oder einigermaßen erkennbar. Zwischen den Ruinen finden wir viele Bombenkrater. Auch dieses Weltkulturerbe litt unter dem Vietnamkrieg, der hierzulande übrigens Amerikanischer Krieg heißt, ein großer Teil der Architektur wurde beschädigt oder vernichtet.

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Eine von unzähligen Kriegsgräberstättten in Vietnam

Auf dem Weg zurück halten wir an einer Kriegsgräberstätte, die mir schon bei der Hinfahrt aufgefallen war. Hier liegen 1000 gefallene vietnamesische Soldaten – von geschätzten 3 Millionen Kriegstoten auf vietnamesischer Seite. Um die Gedenkstätte herum liegen weitere, zivile Gräber. In Vietnam ist der Ahnenkult Teil des Lebens: Die Verstorbenen leben in einer anderen Sphäre weiter, und sie brauchen einen Platz, an dem sie geehrt und zur Ruhe kommen können, sonst irren sie als böse Geister umher. Ich habe seit Ankunft im Land schon viele prächtige und großzügige Grabstätten gesehen. Und in jedem Haus ist der Ahnenaltar das Zuhause der Geister, die sehr hilfsbereit sind, wenn man sich gut um sie kümmert.

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Um die Marmorberge herum lebt die Bevölkerung von der Herstellung und dem Verkauf von Steinfiguren in allen nur denkbaren Größen, Formen und Farben. Neele (rechts) dient als Größenvergleich

Kurz vor Da Nang biegen wir ab Richtung Meer. Bald tauchen vor uns die fünf Marmorberge auf, aus denen seit Jahrhunderten Marmor abgebaut wird. In den nahe gelegenen Dörfern scheint denn auch die gesamte Bevölkerung von Herstellung und Verkauf von Marmorfiguren zu leben. Bis zu vier Meter hoch sind manche Statuen, und es gibt den Marmor in unzähligen Farbnuancen. Ein nur wenige Jahre alter gläserner Fahrstuhl bringt uns hinauf zur Tam Thai-Pagode und Huyen Khong-Grotte. Wie in vielen anderen Grotten und Höhlen der Berge fanden auch hier zu Kriegszeiten Guerilla-Kämpfer Schutz. Heute finden sich hier Stauen von Heiligen der verschiedenen Glaubsensrichtungen.

Am Meer entlang knattern wir zurück nach Hoi An. Wir passieren kilometerlange Baustellen direkt am Strand, der angeblich zu den „zehn schönsten der Welt“ gehört. Hier entstehen riesige Hotelkomplexe und luxuriöse Resorts. Noch weiden vor den Baustellen die Kühe der Bauern. Hoffentlich macht Vietnam bei der weiteren touristischen Erschließung nicht die gleichen Fehler, die die meisten Urlaubsländer hinter sich haben. Arbeitsplätze und Bruttosozialprodukt sind wichtig, aber auch die Belange der Umwelt müssen berücksichtigt werden. Wie war es noch: Geld kann man weder essen noch trinken oder atmen.

Weiter: Lampionstadt Hoi An

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