Giganten im Schnee

Das Autonavi will uns nach links schicken. Das Handynavi sagt rechts. Der Zeitunterschied ist gering, und wir möchten noch einmal die Schönheit des Yosemite National Parks erleben, auch wenn wir einen Teil der Strecke schon von gestern kennen. Also biegen wir rechts ab.
Irgendwann fällt uns auf, dass ziemlich viel Laub und Zweige auf der Straße liegen. Es muss windig gewesen sein. Oder ist es noch?
Wir haben 40 Meilen geschafft, als der kaum vorhandene Verkehr stoppt. Etwa 10 Autos vor uns liegt ein Baum quer über die Straße. Jetzt sehen wir auch, wie die Kiefern vor uns im Wind wanken. Wir hätten nur noch 1,3 Meilen bis zur Abzweigung nach Mariposa. Verflixt.
Warten oder umkehren? Der Baum dürfte gerade erst gefallen sein. Selbst wenn die Parkverwaltung auf derartige Vorkommnisse eingestellt ist, den Stamm mit seinem Durchmesser von mindestens 80 Zentimetern wegzuräumen, dürfte einige Zeit dauern.

Wir kehren um. 40 Meilen zurück zu unserem Ausgangspunkt, wo das Autonavi zu frohlocken scheint: Ätsch, habe ich euch doch gleich gesagt.
Gut, dass wir uns für heute kein großes Programm vorgenommen haben. Zwei Stunden später als geplant erreichen wir in Mariposa noch einmal den Yosemite National Park. Um hier die nächste Überraschung zu erleben: Die Passstraße zu unserem geplanten Ausgangsort ist gesperrt. Anstatt eines Spazierganges von vielleicht 1,5 Kilometern müssen uns die Füße acht Kilometer tragen. Doch eines steht fest: Wir sind nur heute hier, und wir wollen heute die Mammutbäume sehen.
Der Fußweg führt bergan durch Matsch und Schnee, aber die Mühe lohnt. Den Kopf in den Nacken gelegt, schauen wir ehrfürchtig nach oben. Bis zu 2500 Jahre alt sind die bis zu 88 Meter hohen Giganten. Was mögen sie alles erlebt haben? Mit Sicherheit Brände, viele Brände. Auf einer Infotafel lesen wir, dass es in diesen Wäldern alle fünf bis zwanzig Jahre brennt. Wir sehen es den Bäumen an, schwarz verkohlt ist die Rinde, aber wenig weiter oben tragen sie saftig grüne Nadeln. Woanders wurden ganze Waldflächen vom Feuer verschlungen, ragen nur verkohlte Holzstümpfe in den blauen Himmel. Doch zwischen ihnen finden junge Bäume genügend Sonnenlicht und durch die Asche ihrer Vorfahren reichlich Nährstoffe, um in die Höhe zu wachsen.
Zurück am Auto wechseln wir die durchnässten Schuhe und Socken – an unserer Reisevorbereitung gäbe es einiges zu optimieren. Egal. Unsere Fahrt geht weiter durch flaches Land über Fresno bis Bakersfield. Auf riesigen Weiden lassen sich schwarze Rinder das saftige Frühlingsgras schmecken. Dann folgen wieder kilometerweit ausgedehnte Wein- und Obstplantagen. Der Freeway führt jetzt fast ohne Kurven durch die Landschaft, vorbei an Dörfern und Städten, die nur aus endlosen Gewerbegebieten zu bestehen scheinen. Und während sich Neele am Lenkrad mit einem Iced Coffee in der Hand in unserem Jeep irgendwie ganz amerikanisch vorkommt, schreibe ich an meinem Reiseblog. Egal, wie altmodisch das manchen vorkommt.

Und gestern so?

Und morgen?