Floating Market im Mekong-Delta

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Gewusel auf dem Floating Market in Can Tho. An den Stangen ist zu erkennen, welche Waren angeboten werden

Als wir am frühen Morgen den Mekong flussauf fahren, kommen uns schon die ersten vollbeladenen Langboote entgegen. Viele Zwischenhändler haben schon vor 8 Uhr ihre Einkäufe erledigt und machen sich auf den Weg in die unzähligen Seitenkanäle, um dort ihre Waren weiter zu veräußern. Wenige Minuten später erreichen wir nahe Can Tho den größten schwimmenden Markt des Mekong Deltas.

Hier herrscht ein unübersichtliches Gewusel auf dem Fluss, zumindest für unsere Augen. Ein Einheimischer weiß genau, wo er hin will oder muss und worauf es zu achten gilt. So steht auf vielen Verkäuferbooten eine Stange, daran geknüpft eine bis zwei Ost- oder Gemüsesorten. So signalisiert man, was heute das Angebot ist.

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„Wanna buy kokonut?“ Vom Boot zum Ausflugsschiff wird Ware gegen Geld getauscht. Touristen zahlen grundsätzlich höhere Preise

Kleine Boote halten an großen, um entweder zu kaufen oder eine andere Ware anzubieten. Auch unser Schiff ist ein beliebtes Ziel – schon nach den ersten Metern im Gebiet des Marktes wird uns von links und rechts alles angeboten, was der Tourist am frühen Morgen liebt: Kaffee, frische Früchte, Kokosnussmilch, letztere selbstverständlich frisch aus der Nuss. Und auch Grill- und Kochboote kommen vorbei, falls wir zum Frühstück typisch vietnamesisch eine Nudelsuppe möchten oder einen gegrillten Fisch.

Auf den Booten der Marktbeschicker können wirden Alltag auf dem Fluss beobachten. Ihr ganzes Leben spielt sich auf dem Wasserfahrzeug ab. Normalerweise liegt vorne die Ware, hinten ist der Wohnraum. Darüber gibt es ein offenes Deck mit einem schattenspendenden Tuch drüber. Hier wird gegessen oder in der Hängematte entspannt.

Für uns mag das ursprünglich oder wild-romantisch aussehen. Tatsache ist aber, dass die meisten Flussbewohner sehr arm sind. Und dass ihre Kinder aus finanziellen Gründen keine Schulen besuchen – auch ihre Zukunftsaussichten sind damit alles andere als rosig.

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Mit dem Touristenboot vorbei an der wackeligen Uferbebauung. Weggespülte Häuser dürfen nicht ersetzt werden, das Mekong-Bild wird sich verändern

Wir verlassen den Markt und folgen dem Fluss weiter. Die Ufer sind dicht bebaut. Schiffe mit Baumaterialien wie Sand oder Bambusstangen fahren zu den Umschlagplätzen, die wir ebenso passieren wie schwimmende Tankstellen. Dazwischen immer wieder Privathäuser, die hintere Hälfte an Land, die vordere auf Pfählen im Wasser. Diese Bebauung wird inzwischen nicht mehr genehmigt. Wo alte Häuser von der Flut weggespült werden, versucht man mit Baumanpflanzungen oder Wasserfirn-Gärten das Ufer vor Erosion zu schützen. Der zunehmende Schiffsverkehr mit der entsprechenden Wasserbewegung fordert seinen Tribut. An manchen Stellen sieht es leider so aus, als versuche man, den Landfraß durch Müll aufzuhalten. Floating garbage – schwimmender Abfall – begegnet uns eh überall in Massen.

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Reisnudelherstellung: Der Fladen muss abkühlen und wird dann in Streifen geschnitten. Auch bekennende Nicht-Reis-und-Nudelesser dürfen tätig werden

Wir halten an einem kleinen Handwerksbetrieb, wo Reisnudeln hergestellt werden, und dürfen sogar selbst Hand anlegen. Danach noch ein Stopp an einem wunderschönen von Bäumen und Wasserkokospalmen um- und überwachsenen Seitenarm, wo wir Besucher von Einheimischen ein Stückchen gerudert werden. Wieder einmal habe ich das Gefühl, dass Tourismus der neue Kolonialismus ist. Unsere Ruderfrau (es sind überwiegend Frauen, die diese körperlich schwere Arbeit verrichten) zeigt mir das am meisten verfallene Haus an der Strecke: Das sei ihres. Ich nicke, gehe aber davon aus, dass sie mit diesem sichtbaren Hinweis auf Armut mehr Trinkgeld herausschlagen will.

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Frau am Ruder: die Vietnamesen fahren übrigens genauso Boot wie Auto oder Moped, nach dem Motto, es passt schon irgendwie

Gut fünf Stunden dauert dann die Rückfahrt nach Ho Chi Minh Stadt. Wir waren schon am Vortag angereist, um den Floating Market in Can Tho am frühen Morgen erleben zu können. Der gesamte Ausflug mit Übernachtung war erstaunlich günstig, aber über den ersten Tag waren wir dann eher enttäuscht. Wir fuhren im Bus durch ein überbevölkertes Land voller Müll und Dreck. Das soll das berühmte Mekong-Delta sein? Hier und da hielten wir an Orten, die sich auf die Massenabfertigung von Touristen spezialisiert haben. Ein Hauch von Disney-World mit Reishut-Verkauf, mit Krokodilen, denen man per Angel Fleischstücke vor die Nase halten kann, mit Kokospralinen-Fabrikation und -Verkostung sowie Vergnügungspark auf einer Mekong-Insel. Alles laut und überlaufen.

Vielleicht hätten wir nach einem besseren Ausflug suchen sollen, möglicherweise gibt es schöne „Öko“-Trips ins Delta. Wobei mir in den zwei halben Tagen, die wir in Ho Chi Minh Stadt verbrachten, kein derartiges Angebot ins Auge stach, und wir kamen an vielen Agenturen vorbei – die Angebote ähnelten sich überall frappierend. Erschwerend kam hinzu, dass wir inzwischen besichtigungsmüde sind. Seit vier Wochen bin ich unterwegs, die Reise war wunderschön, mit unglaublich vielen interessanten Eindrücken von einer ganz anderen Lebensart, und ich bin sehr dankbar, dass ich das alles erleben durfte. Aber jetzt ist Zeit, nach Hause zurückzukehren und die auf mich wartenden Zwei- und Vierbeiner in die Arme zu schließen. Good bye, Vietnam, good morning, Europe!

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