Phänomental, monumental. So empfängt uns DAS Wahrzeichen (und Flaggensymbol) Kambodschas, die Tempelanlage Angkor Wat. 1000 Jahre alt sind die Gemäuer, schier unvorstellbar, wie man es damals schaffte, dieses Giga-Bauwerk zu erstellen. Und zwar innerhalb von weniger als 40 Jahren. Unser neuer Reiseleiter Sarath, der als Siem Reap-Spezialist uns von Wan Wan übernommen hat, weiß natürlich die Hintergründe. Die Bevölkerung Kambodschas habe damals rund 18 Millionen Menschen umfasst, was viel war für die damalige Zeit. Durch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem mithilfe von mehreren Staudämmen in Kombination mit einer speziellen Sorte schnell reifenden Reis konnte man vier Ernten jährlich einfahren. Das reichte nicht nur, die vielen Tausend Bauarbeiter nebst hunderter Arbeitselefanten zu ernähren, der König konnte sogar zur gleichen Zeit (O-Ton Sarath) „lustig in den Krieg“ ziehen.
Ich will mich über die „technischen Daten“ der Tempel nicht weiter auslassen. Ob Baujahr oder Größe, Erbauerfamilie oder religiöser Hintergrund: Es gibt viele hervorragende Internetseiten, in denen man jede gewünschte Info findet – besser kann ich es auch nicht. Lieber konzentriere ich mich auf die Erlebnisse drum herum. Dass sich aber die Besichtigung diverser Tempel um Siam Reap lohnt, will ich vorab betonen.
Beeindruckt hat uns zum Beispiel der Dschungeltempel Ta Prohm, der 1860 von den Französischen Kolonialisten entdeckt wurde, nach mehreren Jahrhunderten Desinteresses. Dieses Gemäuer zeigt eindrucksvoll, wie die Natur zurückerobert, was man glaubte gewonnen zu haben. Wir reden hier nicht von nur armdicken Wurzeln, die sich um die Steine geschlungen haben. Die Wurzeln sind teilweise dick wie Kühe, sie gehören zu 50, 60 Meter hohen Würgefeigenbäumen, die in bizarren Formationen die Ruine überwuchern. Ach so, auch Lara Croft lässt grüßen. Denn in Ta Prohm wurde ein Teil des ersten Tomb Raider-Films mit Angelina Jolie gedreht. Damit war endgültig Schluss mit der Nicht-Beachtung des alten Tempels.
Beim Verlassen des Dschungeltempels stoßen wir auf eine große Buddha Statue, vor der zwei alte Frauen mit kurz rasierten Haaren sitzen. Wir haben ähnliches schon öfter gesehen. Sarath erklärt, dass es in Kambodscha weder Rentenversicherung noch Sozialhilfe gibt. Hier ist die Familie zuständig für die Versorgung der alten Generation. Blöd natürlich, wenn eine Witwe keine Kinder hat. Ihr bleibt nur, als Nonne in ein Kloster zu gehen, wie die beiden Alten hier. Durch den Verkauf von bunten Gebetsbändern verdienen sie sich etwas Geld. Ich hocke mich vor einer der Nonnen auf die Knie. Während sie ein geflochtenes Band um mein Handgelenk knotet, murmelt sie ein Gebet. Ich danke ihr mit einer Spende und verabschiede mich mit dem traditionellen Gruß, dem sogenannten Sampeah: Ich lege die Handflächen zusammen , Fingerspitzen nach oben, halte die Daumen unter das Kinn und verneige mich leicht.
Dass ich die spanischen Nationalfarben bekomme, mag Zufall sein, dass sie für Gesundheit und Erfolg einstehen, ist bestimmt gesteuert. Mein Gebetsband bleibt jetzt an meinem Arm, bis es von selbst abfällt. Dann, so Sarath, wird es nicht mehr gebraucht. Schon klar, oder?
Auch Angkor Tom besuchen wir heute, die „Große Hauptstadt“ , neun Quadratkilometer voller historischer Monumente. Ob der Bayon Tempel mit seinen Gesichtertürmen, die Terrasse der Elefanten oder die Tempelpyramide Phimeanakas. Zu allen erzählt Sarath von der Geschichte, vom Bau und seinen Betreibern vor 1000 Jahren, wie auch von der Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert und häufig mutwilliger Zerstörung durch – schon wieder! – die Roten Khmer.
Angenehm sauber ist es in dem touristisch sehr gut erschlossenen Gebiet rund um die Tempelruinen. Endlich mal Flächen ohne Müll. Dieses ist ein echtes Problem in Kambodscha, ein großer Makel in unseren Augen. Beim Durchqueren des Landes finden wir überall Kunststoff-Abfälle, Unmengen vonTüten, Styroporverpackungen, und vor allem Plastikflaschen. Es gibt nicht überall eine Müllabfuhr in Kambodscha, insbesondere auf dem Land kümmert sich niemand um den Verbleib des Unrats. Manche verbrennen oder vergraben ihn , andere werfen einfach weg und lassen liegen. Der nächste Sturm, die kommende Überschwemmung wird es schon richten. Aus den Augen, aus dem Sinn. Da es den Kindern so vorgelebt wird, übernehmen die es natürlich genau so. Entsprechend sieht die Landschaft aus. Was in den Gewässern des Landes alles schwimmt, mag man sich gar nicht vorstellen. Es ist wie in vielen Entwicklungsländern. Die Modernisierung schreitet rasant voran, die Umwelt bleibt auf der Strecke.