Konditionierter Psychoterror

Das Thema Juckreiz durch eine Allergie hatte ich schon einmal ausführlich erörtert (KLICK). Wenn der Hund sich aber auffallend häufig kratzt, muss das nicht zwingend auf eine allergische Reaktion hinweisen. Vielleicht gibt es überhaupt keine organische Ursache: Möglicherweise will er nur kommunizieren. Dieses Verhalten entsteht durch Konditionierung durch den Menschen. Problem – der merkt möglicherweise gar nicht, was vor sich geht.

Auch Murphy hat begriffen, wie man als Hund auf sich aufmerksam macht

Klienten von mir fragten mich um Rat, weil ihre kleine Hündin „sich immer so schrecklich kratzt“. Der Tierarzt habe nichts gefunden. Genaues Nachfragen ergab, dass Lulu offenbar vor allem vormittags unter Juckreiz litt – während Frauchen den Haushalt erledigte und sich nicht um die kleine Mix-Hündin kümmerte. Die Beschwerden wurden heftiger, je häufiger die Besitzerin Lulu verbot, sich zu kratzen.

Alles klar? Lulu verlangt Aufmerksamkeit. Sie ist die Prinzessin und will wahrgenommen, beschäftigt, gehätschelt werden. Und zwar immer. Und auf jeden Fall sofort. Es ist ihr lieber, jemand schimpft mit ihr, als dass sie nicht beachtet wird. Es ist übrigens nicht ungewöhnlich, dass negative Aufmerksamkeit einen ähnlichen Effekt hat wie Lob – also immer Vorsicht, in welchen Situationen man auf den Hund eingeht. Im Zweifel kommt man mit konsequenter Ignoranz weiter.

Ich riet ihrem Frauchen, Lulu morgens ein Kaustäbchen zu geben, so dass die Kleine Beschäftigung hatte, während die Schlafzimmer hergerichtet wurden. Bingo – der morgendliche Juckreiz war geheilt. Wenn es doch immer so einfach wäre!

Auch unser Murphy versucht immer wieder, uns mit Kratzattacken zu beeindrucken. Ein, zwei Jahre lang hat es geklappt, denn früher hatte er aufgrund seines Leberproblems tatsächlich quälende Phasen, und er hatte schnell gelernt, dass wir ihn beachten, wenn er sich scheuert und knabbert. Inzwischen weiß ich aber, dass er sich möglichst auffallend kratzt, wenn er etwas Bestimmtes möchte und Hilfe braucht. Zum Beispiel, wenn er auf die Couch springen will, aber nicht weiß, ob Naddel das erlaubt (lachen Sie ruhig, so eine Rudelchefin kann ganz schön tyrannisch sein). Ich muss dann Naddel die Augen zuhalten und Murphy mit einem motivierenden „Hopp“ auf die Couch bitten – dann juckt es ihn auch nicht mehr. Insofern habe ich mich auf diese Art Kommunikation mit ihm eingelassen. Denn: Früher hätte er in solchen Situationen aus Frust in eine Zimmerecke gepieselt – raten Sie mal, was mir lieber ist… Wenn Murphy aber zu häufig seine tyrannischen Kratzanfälle pflegt, „heile“ auch ich ihn durch absolute Ignoranz.