Felix nahm den Schmerz mit

Als eine Freundin vor kurzem eines meiner Fotos bei Facebook kommentierte, habe ich mich wieder einmal dran erinnert. Auf dem Foto und auf vielen weiteren aus dieser Zeit trage ich Hut. Seit mein Dackel Felix gestorben ist, nicht mehr.

Vorweg – unsere Haustiere haben eine geringere Lebenserwartung als wir. 10, 15 Jahre begleiten sie uns, selten länger. Wer Tiere liebt, muss den Abschied akzeptieren. Das habe ich früh gelernt. Das Loslassen fällt schwer und scheint unendlich, aber es gehört zum Leben.

Auf allen Bildern von damals trage ich Hut, nicht nur auf Urlaubsfotos aus Japan

Mit dem Tod von Felix habe ich etwas sehr Spezielles erlebt. Besagtes Foto erinnert mich daran, weil ich damals, vor Felix Tod, grundsätzlich einen Hut trug. Ich litt seit mehreren Jahren unter chronischen Kopfschmerzen. Manchmal nur latent, gelegentlich heftig. Immer gegenwärtig. Der Schmerz konzentrierte sich auf einer kleinen Fläche auf dem Kopf und strahlte von dort aus. Mal wenige Zentimeter weit, mal bis in den Nacken. Am schlimmsten war es bei Wind oder bei leichten Berührungen der Haare oder Kopfhaut. Daher der Hut: Sobald Gefahr bestand, dass ein Lüftchen über meine Kopfhaut wehen könnte, schützte ich meinen Schädel mit einer Kopfbedeckung. Fotos aus der Zeit mit mir an der frischen Lust zeigen mich immer gut behütet.

Ärztliche Untersuchungen hatten nicht mehr als Vermutungen ergeben und den Rat, als diagnostische Therapie vorübergehend Hammer-Medikamente zu nehmen, die die Nervenreizleitung unterdrücken. Na, vielen Dank, verzichte. Ich hatte schließlich beschlossen, den Schmerz anzunehmen, mit ihm zu leben. An den meisten Tagen war es erträglich. Bei Wind trug ich Mütze oder Hut. Im Auto hielt ich die Fenster geschlossen, um Durchzug zu vermeiden. Kopfwäsche und Frisörbesuche waren am schlimmsten, aber die gehen ja auch vorbei. Ich arrangierte mich.

Mein Dackel Felix 2006, strotzend vor Kraft und Lebensfreude. Manchmal schützt das nicht...

Felix starb plötzlich und viel zu früh, völlig unerwartet, durch einen Unfall. In den darauf folgenden Tagen nahm ich das Leben nur dumpf wahr. Ich funktionierte im Alltag, aber ich war nicht wirklich im Leben. Wer ein geliebtes Tier verloren hat, kennt das. Dennoch registrierte ich nach einigen Tagen den fehlenden Kopfschmerz. Dies bemerkte ich nur nebenbei, es war unwichtig ob der Trauer über Felix’ Tod. Nicht der Rede wert.
Doch drei, vier Wochen später, das Leben war wieder in den Vordergrund gerückt und der Verlust nagte „nur noch“ tiefer, stellte ich wiederholt fest, dass mein Kopf schmerzfrei war. Zum ersten Mal seit Jahren. Ich achtete vermehrt drauf, erwartete den Schmerz, suchte ihn. Begab mich in den Wind. Drehte im Auto die Fenster runter. Stellte den Duschstrahl um – das auf den Schädel prasselnde Wasser hatte doch vor kurzer Zeit noch so gequält… Der Schmerz war und blieb verschwunden.

Verwirrt und perplex las ich in Internet-Foren über ähnliche Fälle. Erfuhr von indianischen Theorien – unsere geliebten Tiere wollen uns Last abnehmen… oder so ähnlich. Als gebürtige Nordfriesin bin ich ja eher bodenständig, da kann sich mancher Geist seine Zähne aus dem fleischlosen Kiefer beißen. Und doch – seit Felix ging, im September werden es 5 Jahre, ist mein Kopf von den Schmerzen befreit. Für mich steht fest: Mein geliebter Hund – mein mich liebender Hund – nahm den Schmerz mit.