Abschied von Charly

Wir zünden eine Kerze an für unseren Blondino. Dreizehneinhalb Jahre hat Charly uns begleitet. Und wir ihn. Heute machten wir einen letzten Seniorenausflug über die Wiese, wo er Schafknödel naschen durfte. Und dann warteten seine alten Freunde auf ihn, auf der anderen Seite des Regenbogens, und zusammen geben sie wieder richtig Gas. Ohne Schmerzen, ohne Zäune. Was für ein schöner Gedanke.

Denn die schönsten Erinnerungen zeigen mir Charly, wie er rannte. Er spielte Fangen mit den vielen Pflegehunden, und er rannte voran, immer ums Haus rum. Schon auf Mallorca fand er jedes Loch im Zaun und rannte die Straßen entlang, scheinbar ohne Ziel, einfach nur schnell und weit. Häufig kam er mit einer Duftnote nach Hause, die er selbst für das Nonplusultra hielt, uns aber die Tränen in die Augen trieb. Nicht selten bewaffnete ich mich mit Gartenschlauch und Gummihandschuhen… er ertrug die Reinigung mit Fassung. Auch in seiner neuen Heimat, hier im Herrenkoog, war er anfangs immer wieder ungeplant unterwegs – dem Ruf der Biogasanlagen folgend. Als wir die Tür gesichert hatten, kletterte er über den Zaun. Als wir dort eine Strom-Litze installierten, buddelte er sich unten durch. Charlys Freiheitsdrang war phänomenal. Aber er kam immer nach wenigen Stunden zurück und freute sich unbändig, wenn er uns wiedersah.

Unzählig oft erhielt ich Anrufe oder Nachrichten von Charly-Sichtungen (manchmal hatte ich noch gar nicht bemerkt, dass er weg war). Früher, auf Mallorca, wurde er sogar gelegentlich von Freundinnen nach Hause gebracht. Wenn sie ihn zufällig irgendwo trafen. Er sprang aber nur ins Auto, wenn man ihn bei Namen nannte.

Aber auch Charly wurde ruhiger. Als im letzten Jahr Naddel starb, übernahm er quasi nahtlos die Seniorenposition. Nein, es ist nicht schön zu sehen, wie ein Hund seine Lebenskraft verliert. Gestern noch agil und fit, und scheinbar plötzlich kann er kaum noch hundert Meter laufen und quält sich beim Hinlegen. Wir haben darüber gewacht, wie lange sein Zustand für ihn noch zumutbar war. Aber wenn ein Hund nicht mehr alleine aufstehen kann, hat er dann noch Lebensqualität? Ist das noch sein Leben? Unser letzter Liebesdienst an Charly war, ihn von irdischen Fesseln und Schmerzen zu befreien. Run free, Chary.