Wehe, wenn sie los gelassen

Unter uns Zweibeinern hält sich das Gerücht, WIR würden unsere Vierbeiner erziehen. Andersrum wird gelegentlich eher ein Schuh draus. So konditionierten uns die Sozialarbeiter der Villa Bunter Hund erfolgreich auf regelmäßige Futter- und Ausflugszeiten. Und Naddel hat es sogar geschafft, uns beizubringen, an der Leine zu gehen.

Es brauchte natürlich mehrere Schlüsselerlebnisse, bis sie uns so weit hatte. Jedes dauerte mehrere, das längste sogar über sechs Stunden – in denen wir Naddel und Murphy suchten. Denn im vergangenen Sommer konnten wir uns auf wenig verlassen, außer dass uns unsere Hunde verlassen, wenn wir Naddel die Kontrolle überlassen.

Inzwischen bevorzugen wir daher die physische Verbundenheit mittels Brustgeschirr und Flexi-Leine. „La princesa“ hat darauf nicht immer Lust, kann uns aber nur noch selten zum Verzicht überreden. Am vergangenen Wochenende, bei strahlendem Sonnenschein auf Mallorca, trauten wir uns mal wieder.

Leinenzwang für Naddel - sicher ist sicher

Die Vorbereitung: Jeder hat sein Handy dabei und niemand Termine bis in den Abend hinein. Zudem wählten wir ein Gelände weit abseits jeglicher menschlicher Besiedlung, denn im Gegensatz zu früheren Aktionen, die sich mehr auf wild lebende Kaninchen konzentrierten, hat Naddel heute vorwiegend Katzen im Kopf. Und die leben in kleinen Gruppen in einigen Urbanisationen in unserer Nähe. Naddel kennt diese Kolonien. Alle. Und sie ist überzeugter Verfechter von regelmäßigen Inventuren.

Aber zurück zur Versuchsanordnung. Wir gehen zwei Tage nacheinander die gleiche Strecke. Am ersten Tag halten wir die kleine Hunde-Chefin konsequent am Band. Das ist zwar beim Gang über schmale, dicht bewachsene Trampelpfade an der Steilküste mühsam und nervig, aber sicher. Die drei Jungs bleiben brav in unserer Nähe. Wenn sie mal übermütig zu weit vorpreschen, kommt immer binnen weniger Minuten einer zurück, um zu schauen, ob wir Gottähnlichen noch dabei sind.

Am nächsten Tag lassen wir Naddel los, wenn auch erst in sicherer Entfernung von mit Katzen bewohntem Gebiet. Anfangs bleibt sie in meiner Nähe. Kommt noch einmal fröhlich wedelnd zurück zu uns und macht einen auf „treuester Hund von Welt“. Dann sehen wir sie weit, weit vor uns. Die Jungs im Gefolge. Dann sehen wir sie nicht mehr. Keinen von den Vieren. Ziemlich lange.

Wir synchronisieren:

Naddel: „Los Jungs, gebt Gas. Wir sind frei!!! Frei frei frei!!!“

Murphy (der Naddel schon immer hörig war): „Aye Aye, Käptn… volle Kraft voraus!“

Alle rennen weiter.

Charly: „Wo sind denn die Götter?“

Naddel: „Egal! Die kommen schon klar ohne uns. Los, weiter!“

Campino (der sich endlich bei Menschen sicher fühlte): „Ich weiß ja nicht… Wenn die den Weg nicht finden? Ich fand die inzwischen ganz nett.“

Charly (der grundsätzlich gerne drei Kilometer extra rennt): „Ich lauf schnell zurück und schau nach ihnen!“

Naddel: „Schnauze und hier geblieben! Ihr Schisser!!! Feiglinge! Vorwärts!!!“

Mit dieser oder ähnlicher Diskussion brettern sie durch die Landschaft, bis Chefin Naddel sich auf eine Kaninchenfährte konzentriert und sich die Jungs unauffällig davon stehlen können. Wir treffen sie wenige Kilometer weiter, und zumindest Charly und Campino wirken ziemlich erleichtert. Naddel holt uns später ein, als wir schon auf dem Rückweg sind. Sie tut so, als wäre sie sehr, sehr froh, uns zu sehen. Schauspielerin. Denn hätten wir nicht inzwischen Murphy angeleint, wäre der wieder mit ihr unterwegs in Richtung Dorf – Katzen zählen. Zum Glück geht unsere Prinzessin aber ungern ohne Gefolge…