Momo

Noch heute packt mich die Wut, wenn ich an Momo denke!
Noch heute packt mich die Wut, wenn ich an Momo denke!

Ich tue mich immer etwas schwer damit, Momos Geschichte zu erzählen. Allzu oft kommen diese Allgemeinplätze: „Die Mallorquiner…“ oder „Tierhölle Mallorca!!!“ Dabei meine ich, dass man nichts verallgemeinern soll. Auch auf Mallorca gibt es Menschen, viele Menschen, die so mit Tieren umgehen, wie es sich deutsche Tierfreunde vorstellen. Und es werden immer mehr.

Momos Ex-Besitzer gehört garantiert nicht dazu.

Es war ein sonniger Apriltag und ich ging mit meinen beiden Dackeln und Pflegehündin Gundula spazieren. Wie immer, waren irgendwann  die Dackel übern Acker verschwunden (soviel Hund durften sie sein). Ich blieb also am Wegesrand stehen und genoss die Sonne. Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch. Es kam von unter der Straße (häh?) und hörte sich an wie ein Mittelding von (lachen Sie nicht!) Schaf in schwerer Geburt oder Schäfer in fantastischem Orgasmus. Ich dachte zunächst, ich hätte mich geirrt. Doch dann ging Gundula plötzlich unter die Straße. Ich sah nur noch ihren wedelnden Schwanz. Erst jetzt bemerkte, ich dass es hier eine Unterführung gab, offenbar für Regenwasser, denn eine Art Bach schloss sich an, derzeit aber ohne Wasser.

Stellen Sie sich dieses süße Tier in einem Sack im Straßengraben vor
Stellen Sie sich dieses süße Tier in einem Sack im Straßengraben vor

Was hatte Gundula dort gefunden? Ich kletterte hinab und sah einen zugebundenen Sack. Mich packte Entsetzen – der Sack bewegte sich! Auch ohne eine Ahnung zu haben, was drin war, packte ich das Ding und schleppte es nach oben auf die Straße. Dort löste ich den Knoten.

Im Sack war ein Welpe. Schwarz und weich, schmutzig und völlig verstört. Mit wurde heiß und kalt, mich überkam unendliche Trauer und ein unbändiger Hass auf den Menschen, der das getan hatte.

Bis die Dackel wiederkamen, streichelte ich den Kleinen, der gar nicht versuchte, aus dem Sack abzuhauen. Als alle Hunde wieder beisammen waren, band ich den Sack wieder zu, schulterte ihn, und trug mein Fundstück nach Hause. Es tat mir leid, aber anders hätte ich diesen Welpen nicht heimbringen können, es waren immerhin 3 Kilometer zu gehen!

Daheim packte ich die Kleine – jetzt sah ich, dass es eine junge Hündin war – in die Wanne. Sie war voller Kot, Urin und Schlamm. So vorsichtig wie möglich wusch ich sie ab, dabei hatte ich Gelegenheit, sie zu untersuchen. Körperlich war sie okay, nur ein blaues Auge hatte sie. Hatte man versucht, sie zu erschlagen? Immerhin ein Ansatz von Humanität… in dem Sack, unter der Straße, wäre sie qualvoll verhungert oder verdurstet, denn der Sack war luftdurchlässig und im April ist die Luftfeuchtigkeit noch hoch genug, dass tagelanges Überleben möglich ist.

Wir tauften sie Momo. Die ersten Tage verließ sie ihr Körbchen kaum, aber wir trugen sie immer dorthin, wo sie Gesellschaft hatte, was sie sichtlich genoß. Sie erholte sich körperlich schnell und hatte enorm viel Spaß dabei, mit den Dackeln übers Feld zu rasen. Inzwischen wußten wir, dass sie ein halbes Jahr alt war.  Im April ein halbes Jahr heißt im Dezember 2 Monate… Das typische Weihnachtsgeschenk! Und dann erzählte Papi vermutlich im April seinem Töchterlein, dass der Hund weggelaufen ist. Man hat ja schließlich Urlaubspläne. Oder war der Scheißköter immer noch nicht stubenrein?

Ich könnte – tschuldigung – kotzen. Ich möchte diesen Mann in einen Sack stecken und unter die Straße legen. Nur 3 Tage lang.

Das war im Frühling 2004. Momo lebt seitdem bei einem sehr netten Ehepaar und ihrem neuen Kumpel Rocky in der Nähe von Llucmajor hier auf Mallorca.