Die Hündin liegt glücklich hechelnd in ihrer Wurfkiste, um sie herum wuselt ein halbes Dutzend gesunder, munterer Hundebabys. Alle paar Tage kommen begeisterte zukünftige Hundeeltern, um „ihren“ Welpen, ihr zukünftiges Familienmitglied, zu besuchen und zu bewundern. Tagsüber toben perfekte kleine Wollknäuel durch Haus und Garten, und nachts grunzen sie leise im Traum, an der Seite ihrer Hundemama. Ist es nicht eine wunderbare Vorstellung?
Gestern hatte ich mal wieder so ein Gespräch. Eine Freundin erzählte, ihr Sohn wolle unbedingt einmal seine Hündin decken lassen. Das sei gut für ihre Gesundheit, und außerdem handele es sich hier ja um die schönste und beste Hündin der Welt, deren absolut perfekte Erbanlagen unbedingt genutzt werden sollten. Und alle, wirklich alle, fragten nach einem Welpen von ihr, so viele könne er gar nicht produzieren.
Ich kenne die Hündin. Sie ist reinrassig ohne Papiere. Sie hat verschiedene rassetypische und –untypische Gesundheitsprobleme, die sich möglicherweise vererben. Eine Allergie plagt sie und die angeborene Hüftdysplasie wird ihr später dauerhaft Schmerzen bereiten. Sie gehört zu einer dieser Moderassen, bei denen aufgrund der starken Nachfrage viel zu viele ungesunde Hunde für die Zucht, besser gesagt für die Vermehrung, verwendet werden.
Und selbst wenn die Hündin selbst perfekt wäre: Da sie kaum ohne „Partner“ trächtig werden kann, kommen 50 Prozent der Erbmaterialien von diesem. Und selbst wenn auch er den Eindruck eines fehlerfreien Vererbers machen würde – es können sich in der Nachzucht durchaus Eigenschaften von früheren Generationen durchsetzen. Man ist vor Überraschungen keinesfalls sicher – deswegen sollte man sicher sein, dass die Elterntiere wirklich gesund sind – und auch deren Eltern und Großeltern. Krank gezüchtete Rassehunde und –katzen gibt es schon viel zu viele. Dass Mischlinge per se gesünder sind, ist ein Ammenmärchen – auch sie sind das Resultat der Anlagen ihrer Vorfahren.
Von der Sache mit der Vererbung abgesehen stoßen auch die weiteren Argumente des jungen Hundehalters bei mir auf Widerspruch.
Dass jeder im Freundes- und Bekanntenkreis einen Welpen haben möchte, das kenne ich sehr gut. Vor etlichen Jahren zum Beispiel hatte ein Nachbar ein Pärchen Irischer Wolfshunde. Riesenviecher mit wunderbarem Charakter. Auch er war zu hundert Prozent sicher, dass die Welpen weggehen würden, wie warme Semmel. Als dann aber die neun (!) Babys alt genug für die Abgabe waren, äußerten die Interessenten sehr kreative Gründe, warum sie gerade jetzt doch keinen Hund nehmen konnten. Es dauerte etliche Monate, bis mein Nachbar alle Welpen gut untergebracht hatte. Die Futter- und Tierarztkosten bis zur Abgabe vernichteten beinahe seine Existenz. So ein Wolfshund im Wachstum haut ganz schön was weg!
Die Erfahrung der plötzlichen Rückzieher machen auch viele Katzenbesitzer, die dem alten Ammenmärchen aufgesessen sind, dass eine Samtpfote vor der Kastration einmal gejungt haben sollte. Tiermedizinisch gesehen völliger Unfug, aber für viele Leute hat eine überlieferte Bauernregel mehr Gehalt als jede sachliche Information durch jemanden, der sich damit auskennt, einem Tiermediziner zum Beispiel. Jetzt im Frühjahr bereiten sich die Tierheime wieder auf Kitten en mas vor, auf vierbeinige Restposten.
Kommen wir zurück zu der romantischen Vorstellung der glücklichen Hundemama inmitten ihrer süßen Welpen. Die Realität ist viel komplexer. Eine Hündin mit Nachwuchs braucht Aufmerksamkeit, teilweise Tag und Nacht, und viel Platz. Bei der Geburt kann es ebenso zu Komplikationen kommen wie in den ersten Lebenstagen. Je älter die Jungen werden, desto mehr Raum brauchen sie – ein eigenes Zimmer, ein eingezäunter Garten sind da kein Luxus. Die Kosten sind auch nicht ohne – die Tiere müssen schon bald mit hochwertigem Futter versorgt werden, sie brauchen Wurmkuren und ihre ersten Impfungen, bevor sie das Haus verlassen. Und da junge Hunde nicht stubenrein auf die Welt kommen, darf Mensch mindestens stündlich den Wischmop bedienen, sobald sie ihre ersten Krabbelrunden drehen, während sich in der Waschmaschine alles um die Hundedecken dreht.
Einen Wurf Welpen aufwachsen zu sehen, kann sehr schön sein, birgt aber viele Fallen. Und nein, eine Hündin oder Katze will nicht unbedingt Mutter werden. Natürlich hat sie einen Fortpflanzungsinstinkt. Aber das bewusste Herbeisehnen von Nachwuchs – das findet nur beim Halter statt, beim Menschen. Der wiederum sollte vernünftig genug sein, die Entscheidung frei von Romantik zu treffen.