Das Leben ist ein Spiel

Nach dem Spielen sind sie müde: Lola, Domingo und Mücke machen einen Haufen.
Nach dem Spielen sind sie müde: Lola, Domingo und Mücke machen einen Haufen. Rawi hat wohl noch woanders zu tun.

Entwarnung! Seit fast einer Woche keine gesundheitlichen Auffälligkeiten bei unseren vier Wildfängen. Sie benehmen sich wie jeder gesunde Welpe, sind über alle Maßen hungrig und sehr verspielt. Leider dürfen sie ihre Terrasse noch nicht verlassen, weil sie möglicherweise noch Viren ausscheiden und damit andere Hunde gefährden können. Wie sie ihr Leben in der Quarantäne genießen, zeigt unser Video. Übrigens: Mücke, der kleine Schwarz-Braune, ist schon vermittelt. Die drei schwarz-weißen Welpen – Domingo und seine Schwestern Rawi und Lola – haben noch keine Reservierungen. Woher der Name Rawi kommt? Das ist die Abkürzung für „Rasende Wildsau“. Die Kleine mit den spitzen Ohren ist von den vieren die temperamentvollste.

Glimpflicher Verlauf

Dass Mücke mückerte, hatte einen gefährlichen Grund: Ausgerechnet Parvovirose. Die Viruserkrankung führt zu blutigen Durchfällen, an denen kleine Welpen schnell sterben, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden.

Vier Welpen auf einem Stuhl, zwei mit Verband um das Bein
Wieder zu Hause und schon ziemlich munter. Aber bei den beiden Schwächsten blieb noch der Venenkatheder dran, sie bekamen heute morgen wieder lebenswichtige Flüssigkeit per Tropf

Mücke kam am Mittwoch morgen in die Klinik. Mittags zeigte sein großer Bruder Domingo hohes Fieber und zog ebenfalls sofort um. Die beiden Mädchen Lola und Rawi waren da noch topfit. Aber am Donnerstag Morgen verweigerten beide ihr Futter. Lola kotzte, Rawi setzte stinkenden Schleim ab. Schon saßen auch sie in der Transporttasche Richtung Tierklinik.

Bei der Therapie der Parvovirose gilt es, keine Zeit zu verlieren. Man gibt per Tropf viel Flüssigkeit, weil sehr junge Hunde schnell austrocknen, wenn sie nicht fressen und saufen und gleichzeitig an Brechdurchfall leiden. Sie bekommen Mittel gegen die Übelkeit, Entzündungshemmer gegen die Darmentzündungen, Vitamine und Mineralien zur Kreislaufstabilisierung und schließlich Antibiotika, um die bakteriellen Sekundärinfektionen zu therapieren. Homöopathisch ergänzte ich die Therapie mit allem, was das Immunsystem stärkt, sowie symptomatisch passenden Einzelmitteln.

Wie es aussieht, verlief die Infektion unseres Quartetts glimpflich. Alle vier sprachen sofort auf die Behandlung an. Ich verbrachte Stunden damit, sie zu kontrollieren, während der Tropf lief. Denn es ging ihnen schon bald wieder so gut, dass sie ein tolles neues Spiel erfanden: Schläuche zerbeißen und Venenzugänge entfernen… Nachts durften sie nach Hause, weil sie hier weniger gestresst und deutlich ruhiger waren. In der Klinik formierten sie sich zu einem sehr lautstarken Kinderchor, und der 1. Solist wurde spontan in Placido Domingo umbenannt.

Jetzt füttern wir sie wieder an. Gestern erbrachen Lola und Mücke noch nach dem Trinken, heute wurden die ersten kleinen Portionen verdünnte Hühnerbrühe gut vertragen. Vor allem wurde lautstark mehr gefordert. Nach und nach stellen wir dann wieder um auf schonendes Festfutter.

Die Parvovirose hat eine enorm hohe Ansteckungsrate. Aber es gibt einen wirksamen Schutz. Unsere vier Fundwelpen sind etwa 12 Wochen alt. Verantwortungsbewusste Tierhalter impfen ihre Welpen erstmals im Alter von 8 Wochen. Aber die setzen kleine Hunde nicht in der Landschaft aus…

Station „Villa Bunter Hund“

4 neue Welpen in der Villa Bunter Hund. Aber da war schon unsere Stammbesatzung: Unsere 4 Hunde, 3 Katzen, außerdem die Chihuahuas Babsy und Jack, die auf ihren Flug nach Deutschland warten, und die rekonvaleszente Schildkröte Lucie. Alle fordern Aufmerksamkeit, manche brauchen Intensiv-Pflege. Mein Tagesablauf wird derzeit von der Betreuung und der medizinischen Versorgung bestimmt. Wenn ich zwischendurch nicht Patienten in der Tierklinik behandle, arbeite ich am Schreibtisch mit Blick auf die Welpen.

7 Uhr – Chihuahua Babsy weckt mich mit dem heftigen Husten, der gestern begann. Ich koche Salbeitee mit Honig und gebe davon einen Teil über ihr Nassfutter. In Abständen von 15 Minuten bekommt sie ein homöopathisches Komplexmittel für die Immunabwehr und ein passendes Einzelmittel. Eine ähnliche Kur hat letzte Woche ihren Bruder Jack innerhalb weniger Tage kuriert.

Zwei Fundwelpen beim Spiel auf einer Sonnenliege
Wenigstens lässt er sich zum Spielen animieren: „Mücke“ (rechts) mag nicht fressen und wirkt kraftlos

7.30 Uhr – Während 3 der 4 Welpen ihr Frühstück genießen, sitzt der kleine Schwarz-Braune desinteressiert daneben. Kein Appetit. Das Fieberthermometer zeigt Normaltemperatur. Ich nehme den Kleinen heraus und biete ihm ein bisschen Hühnerbrühe mit Fleisch an. Er nimmt kaum etwas zu sich.

9 Uhr – Zurück vom Spaziergang, braucht Charly eine Tablette. Er lief plötzlich auf 3 Beinen… Es gab keinen erkennbaren Grund, warum er den rechten Hinterlauf nicht belastete. Jetzt tritt er zwar auf, schont aber noch. Mit dem homöopathischen Trauma-Medikament sollte er morgen, spätestens übermorgen wieder ganz normal rennen können. Sonst ist es was Ernstes.

9.10 Uhr – Der erste Welpe bekommt eine Wurmkur. Beim gestrigen Versuch haben alle Vier das Medikament erbrochen. Also: auf ein Neues. Dass sie eine Wurmkur brauchen, kann man ohne Sehhilfe an ihrem Kot erkennen.

9.25 Uhr – Gestern habe ich den Garten einer Freundin geplündert. Eines der dutzend Kräuter und Salatblätter muss Lucie doch munden? Die Schildkröte wurde vor einer guten Woche operiert und frisst kaum.

9.30 Uhr – Auch der mäkelige Welpe hat noch keinen Hunger. Immerhin – er trinkt wieder etwas Brühe. Und er spielt mit seinen Geschwistern, hat aber wenig Ausdauer, als fehle ihm die Kraft.

10.15 Uhr – Unser Zweikampf dauert jeden Tag länger: Schildkröte Lucie muss ihre Medikamente einnehmen. Oral. Sie kneift die Kiefer zusammen, so stark sie nur kann. Zum Glück ist die Prozedur in 2 Tagen beendet. Und da sie heute freiwillig etwas frischen Salat gefressen hat, muss ich ihr keinen Nahrungsbrei einflößen.

Mallorquinische Landschildkröte
Auch Schildkröte Lucie braucht nach einer OP noch Pflege

11.20 Uhr – Wurmkur erfolgreich in Welpe Nr. 2 versenkt.

12.30 Uhr – Babsy bekommt wieder ein Tellerchen mit Hustenbrei serviert. Der Appetit unseres Moppelchens ist gut…. im Gegensatz zu dem unseres „Mückerlings“. Dem flöße ich jetzt pürierten Futterbrei per Spritze ein.

13.40 Uhr – Bisher keine Kotzflecken… Welpe Nr. 3 schluckt brav die Entwurmungs-Pille.

15 Uhr – „Mücke“ bekommt wieder eine kleine Portion Brei verabreicht. Er findet es offensichtlich eklig. Mir egal. Seine Geschwister sind drall und rund, und er nimmt ab. So geht das nicht.

16 Uhr – Da war doch noch „Astronautennahrung“ im Regal? Eine konzentrierte Nähr- und Vitaminpaste wandert als Zwischenmahlzeit ins Maul von Welpe „Mücke“.

… 23 Uhr – Noch drei mal wurde „Mücke“ mit kleinen Mengen Brei und Power-Paste gestopft. Babsy nahm abends brav ihre Medikamente und den Hustenbrei, und Schildkröte Lucie naschte zumindest von einem Dillstängelchen. Charlys Bein ist schmerzfrei.

Mal schauen, wer morgen auf der Klinik-Station „Villa Bunter Hund“ besondere Aufmerksamkeit beansprucht. Kann man einen Rüden eigentlich „Mücke“ nennen? Naja… es ist nur ein Arbeitstitel.

Erholungsbedarf

Sie zeigen sich derzeit noch nicht so lebendig wie andere Welpen in ihrem Alter. Was mich nicht wundert. Denn die vier Junghunde, die wir am gestrigen Sonntag in den Büschen an der Steilküste vom Puig de Ros aufgriffen, haben harte 2 Tage hinter sich. 48 Stunden, in denen sie ihr Zuhause verloren. In denen ihr vermutlicher Vater sie in einer unbekannten Gegend verzweifelt, unsicher und aggressiv beschützen musste. In denen sie von wildfremden Menschen (von uns) gefangen, in Taschen gesteckt, von ihrem Vater getrennt und nochmals an einen unbekannten Ort gebracht wurden. Und heute morgen mussten sie sich auch noch eine tierärztliche Untersuchung gefallen lassen. Ganz klar, dass sie sich erst einmal von den Strapazen erholen müssen und mehr als eine Mütze voll Schlaf gönnen.

Drei Welpen schlafen, einer schaut müde in die Kamera
Im Moment brauchen sie noch Erholung – doch langsam entfaltet sich ihre juvenile Neugierde

Doch langsam werden sie wacher, und der Appetit ist gut. Der kleine braun-schwarze Junge machte uns noch Sorgen wegen einer leichten Lethargie und Erbrechens, doch auch er scheint sich zu erholen. Das Alter des Quartetts haben wir jetzt bestimmt auf 12 Wochen. Sie haben offensichtlich nicht allzu viel mit Menschen zu tun gehabt, denn sie fremdeln, aber haben ein bemerkenswert gutartiges Wesen. Und heute abend, während die Sonne sich neigt und die Temperaturen lebensfreundlicher werden, erwacht auch eine altersgerechte Neugierde auf das Leben, auf uns und unsere Hunde, auf Spielzeuge… und auf den ganzen Rest.

Die beiden ausgewachsenen Rüden haben wir heute morgen nicht wieder gesehen. Später aber erzählte man uns, dass an dieser Stelle jetzt drei Hunde gesichtet wurden. Ob die Mutter doch dabei ist? Inzwischen wurden die offiziellen Stellen informiert. Die Chance, dort an der Steilküste einen gesunden scheuen Hund einzufangen, ist aber denkbar gering.

Welpen aus der Wildnis

Ausgesetzte Hunde auf Mallorca
Kein Besitzer weit und breit: Ein gut genährter, aber misstrauischer Rüde bewacht die vier Welpen in der Wildnis

Es sollte ein ganz normaler Sonntag-Morgen-Spaziergang werden…

Ausgesetzter Hund auf Mallorca
Der andere ausgesetzte Rüde hält sich völlig zurück

Es ist bedeckt und das Meer wellig. Kein Badewetter. Wir wollen dennoch mit den Hunden am Puig de Ros zum Meer laufen und einen ruhigen Morgen genießen. Schon auf dem Hinweg fällt mir am Rande des ausgewaschenen Feldweges eine große Wasserschüssel auf, daneben Brotreste. Unsere Hunde schnuppern aufmerksam. „Seltsam“, denke ich.  Für wen oder was stellt jemand hier Wasser hin?

Auf dem Rückweg dann plötzlich lautes Gebell aus dem Gebüsch nahe der Wasserschüssel. Da, es ist ein schwarz-weißer, mittelgroßer Hund. Aber wo ist sein Besitzer? Ich klettere ein Stück die Felsen hinauf. Und sehe – eins, zwei, drei… vier Welpen. Die offensichtlich zu dem Schwarzweißen gehören. Der nicht die Mutter sein kann, weil es sich, was ich jetzt erkenne, um einen Rüden handelt. Er kläfft mich weiter warnend an, traut sich aber nicht in meine Nähe.

Der Aktionsplan steht schnell fest. Christian bringt mit dem Auto unser Hundequartett nach Hause und kehrt mit Transporttaschen, Leckerli, dicken Handschuhen, Besen und Fotoapparat zurück. In der Zwischenzeit finden sich zwei Frauen, ebenfalls Hundebesitzerinnen, die mir moralischen Beistand geben. Andere Spaziergänger helfen mit Leckerli aus. Dann erscheint ein weiterer Hund aus dem dichten Strauchwerk. Die Mutter? Ich komme nicht besonders nah ran, kann aber erkennen, dass es sich um einen zweiten Rüden handelt, der alt wirkt und zudem ein verletztes Hinterbein hat.

4 Welpen aus der Wildnis sind jetzt auf unserer Terrasse
Etwas verstört, aber in gutem körperlichen Zustand: Wir lassen die vier Welpen erstmal „ankommen“

Leider lässt sich keiner der beiden erwachsenen Hunde anlocken. Christian und ich klettern schließlich ins Gebüsch und schaffen es, einen nach dem anderen Welpen zu greifen und in eine Transporttasche zu verfrachten. Der Besen – als Abwehrwaffe gedacht für den Fall von Beißattacken der beiden Rüden – kommt nicht zum Einsatz.

Die beiden Spanierinnen beschließen erstens, dass jede von ihnen einen der Welpen adoptieren will, und zweitens, dass sie noch weiter versuchen wollen, die Rüden zu ergreifen. Wir bringen die vier Hundebabies nach Hause, wo sie zunächst auf der oberen Terrasse Liegedecke, Wasser und Futter bekommen. Die zwei Jungs und zwei Mädchen sind in gutem Zustand, vielleicht acht Wochen alt, und natürlich verstört. Wir lassen sie erstmal in Ruhe und verarzten unsere völlig zerkratzte Haut.

Und dann schreibe ich diesen Bericht und veröffentliche einen Aufruf in Facebook. Vielleicht fällt irgendwo, irgendwem auf, dass quasi über Nacht ein Mensch um sechs Hunde „ärmer“ geworden ist. Sprich – vielleicht finden wir die Person, die einfach vier Welpen und zwei ausgewachsene Hunde in der Wildnis aussetzt, und können sie anzeigen.

Virusbedingte Planänderung

Der Plan war, dass die Chihuahua-Geschwister nur eine Woche bleiben und dann in Deutschland von der Chihuahua-Nothilfe zur endgültigen Vermittlung übernommen werden. Leider überraschte uns Jack zwei Tage nach seiner Ankunft mit leichtem Fieber, Schniefen und einem heftigen Husten. Die Diagnose: Zwingerhusten, eine Viruserkrankung, die besonders Hunde in Stresssituationen befällt. Die Therapie aus Homöopathie, Ruhe und gutem Futter (wenn er denn frisst, denn er ist extrem mäkelig) schlägt schon gut an. Reisefähig aber ist er übermorgen nicht.

Terriermix aus Tierheim Son Reus
Ready for take off: Miki übernimmt das Ticket der beiden Chihuahuas

Ein Ersatz musste her! Der kleine Miki biss mir im Zinger in Son Reus erstmal kräftig in den Daumen… Aber kaum war er draußen, wurden wir beste Freunde. Er war von seinen Besitzern abgegeben worden wegen seines Temperamentes. Zugegeben – er hat mächtig Power. Das ist aber ganz normal für einen einjährigen Terrier-Mix. Wenigstens hat er gültige Impfungen, so dass er problemlos den schon längst gebuchten Platz im Flieger von Babsy und Jack übernehmen kann. Damit er sich vorher nicht auch noch den Virus holt, ist er natürlich anderweitig untergebracht.

Jack kann also in Ruhe in der Villa Bunter Hund genesen, und Schwesterchen Babsy bleibt ebenfalls zur Beobachtung hier. Ihr gelegentliches Niesen und Schniefen hat sich bis jetzt zum Glück nicht als ernsthafte Erkrankung manifestiert. Und unsere  Stammbesetzung ist bisher symptomfrei – toi toi toi.